Sex- und Pornosucht

Sex- und Pornosucht

Kann man nach Sex und Pornos süchtig werden?

Grundsätzlich kann man nach allem, das unser Glückszentrum bedienen kann, süchtig werden, wenn es in grossen Mengen und jederzeit verfügbar ist (1). Hinter der Sucht verbirgt sich ein System der Problembewältigungsstrategie. Negative Gefühle werden durch starke positive sexuelle Gefühle betäubt. Da Sex oder Pornos mit Masturbation auf natürlichem Weg die stärkst möglichen Gefühle verursachen können (ohne Beihilfe von Drogen), funktionieren sie wie eine Droge und kann zur Sucht werden. So funktioniert Pornografie wie alle anderen stoffungebundenen Süchte (Spielsucht, Kaufsucht, Esssucht…). Wer Pornos über eine längeren Zeitraum in grossen Mengen konsumiert wird süchtig.

Anfänglich meint der Konsument, alles im Griff zu haben. Doch mit der Zeit steigert sich der Konsum und erst wenn versucht wird aufzuhören, wird der Zwang nach Pornos bemerkt. Die Freiheit, sich dagegen zu entscheiden, geht verloren. Freiheit heisst, dass ich nur tun muss, was ich will und was ich nicht will, muss ich nicht tun, sonst nennt man das Zwang oder Sucht. Der Duden definiert Sucht als „krankhafte Abhängigkeit von einem bestimmten Genuss- oder Rauschmittel, [ein] übersteigertes Verlangen nach etwas, [nach] einem bestimmten Tun“ (Duden 2016).

Das männliche Gehirn unterscheidet sich stark vom weiblichen, weil sich dieses durch Hormone und unterschiedliche physische Erfahrungen anders entwickelt hat. Männer funktionieren anders im Erkennen von Reizen, im Verarbeiten von Informationen und im Reagieren auf Emotionen. Sie erkennen Nacktheit oder sexbezogene Reize sehr schnell und sind besonders empfänglich für visuelle sexuelle Erregung (2).

Das Gehirn ist wohl das wichtigste Organ des Körpers. Hier entstehen die Gefühle, das Erregtsein und das Zusammenspiel der Gedanken und des Körpers. Im Mittelhirn ist das sogenannte „Belohnungszentrum“. Hier wird der Neurotransmitter Dopamin produziert, der für das „Wollen“ verantwortlich ist. Wird das Belohnungssystem aktiviert, wird Dopamin in höhere Gehirnregionen transportiert, um anzuzeigen, dass jetzt etwas Wichtiges passiert, das besondere Aufmerksamkeit braucht. Dopamin wird ausgeschüttet, um lebenserhaltende Bedürfnisse zu decken, wie Essen, Trinken und Sex (Sex ist als Fortpflanzung lebenserhaltend) oder als Reaktion auf Schmerz und Vergnügen (3). Aber es verankert auch das Glückserlebnis im Gedächtnis, denn das Gehirn soll sich die Situation einprägen, die zum Glück geführt hat (4).

Stuthers beschreibt die Funktion der Pornografie folgendermassen: Männer finden nackte Frauen interessant und erregend. Wird ein sexuelles Bild gesehen, entsteht sexuelle Erregung durch Dopamin und weitere Opiate. Wird dabei noch ein Mann beim Geschlechtsverkehr gezeigt, wird durch die Spiegelneuronen nicht nur Lust erzeugt, sondern auch imaginär am sexuellen Akt teilgenommen und durch die Masturbation verstärkt. Durch den folgenden Orgasmus wird Serotonin ausgeschüttet, das wie ein Antidepressiva wirkt. Kurzzeitig wird Angst in der zuständigen Hirnregion reduziert und noch mehr süchtig machendes Dopamin ausgeschüttet und als neurologisches Verhalten gespeichert. So entstehe eine Pornografiesucht in seinen Grundzügen (5). Durch das ständige Wiederholen des Vorgangs findet eine Gewöhnung des Gehirns statt und die Kontrolle über den Prozess geht verloren. Die Gewöhnung an Dopamin reduziert die Glücksfähigkeit. Damit ergibt sich eine fatale Kombination aus abgestumpftem Glücksempfinden und gleichbleibendem Drang, was „Craving“ genannt wird (6).
Die Abbildung zeigt sehr vereinfacht die neurobiologische Reaktion eines Sexsüchtigen auf sexuelle Reize (7):

1. Visuelle Stimulation durch Pornografie.

2. Sexuelle Erregung und Steigerung durch Masturbation.

3. Ausschüttung von Dopamin verstärkt den Drang – Orgasmus beschert das Glücksgefühl und die starke Erinnerung an das Erlebnis.

4. Anpassung – „Craving“ nach mehr und stärkeren Reizen, abgestumpftes Glücksgefühl.

5. Kontrollverlust.

 

Quellen zum Text:

Die Angaben sind der Bachelorarbeit „Internetpornografiesucht“ entnommen welche hier heruntergeladen werden kann: Internetpornografiesucht

(1) Roth, Kornelius (2012): Sexsucht: Ein Ratgeber für Betroffene und Angehörige, 4., aktualisierte und erweiterte Auflage, Berlin: Ch. Links Verlag: S.24

(2) vgl. Struthers, William M. (2010): Wired for Intimacy: How Pornography Hijacks the Male Brain, Westmont IL USA: Inter-Varsity Press,US: S.84

(3) vgl. Struthers (2010): S.89f

(4) vgl. Pfeifer, Samuel (2012): Internetsucht – Die dunkle Seite des Netzes – Verstehen, Beraten, Bewältigen: Seminarheft Psychiatrie und Seelsorge, 3. Aufl., Riehen: Klinik Sonnenhalde: S.22)

(5) vgl. Struthers 2010: S.90–99

(6) vgl. Pfeifer 2012: S.22

(7) vgl. Pfeifer, Samuel (2011): Internetabhängigkeit: Erscheinungsformen, Folgen, Therapie